Das Leben mit MS kann manchmal eine Gratwanderung sein. Die Krankheit mit den 1.000 Gesichtern wird deswegen so genannt, weil der Verlauf der Erkrankung und die Symptome bei jeder Person unterschiedlich sein können. Doch nicht nur wir unterscheiden uns trotz der vielen Gemeinsamkeiten im Krankheitsbild untereinander. Auch für jede einzelne Person mit MS kann jeder Tag unterschiedlich aussehen.
So zeigt auch die MS jedem/ jeder Einzelnen von uns immer wieder ihre unterschiedlichen Gesichter, die mehr oder weniger schön oder unschön sind. An einem Tag bist du voller Energie, bist fit, produktiv, fühlst dich wie ein gesunder Mensch. Am nächsten Tag kann das schon ganz anders aussehen und du fragst dich, wie du überhaupt schaffen sollst, den Tag zu überstehen. Hast du am Tag davor noch vor Energie gestrotzt, kommst du am nächsten Tag kaum aus dem Bett. Kleinigkeiten wie duschen, Essen zubereiten etc. werden zur Herausforderung.
Gerade habe auch ich das ganz aktuell wieder erlebt und besonders morgens zeigt sich das bei mir ganz deutlich. Gestern bin ich aufgewacht und habe mich super gefühlt, ausgeruht und fast schon ausgeschlafen. Ich bin motiviert in den Tag gestartet und dachte, heute kann ich alles schaffen. Heute morgen war dann das komplette Gegenteil der Fall. Ich habe mich gefühlt wie vom LKW überfahren und nachdem ich es endlich geschafft habe, aufzustehen, ist mir jeder kleine Schritt schwer gefallen.
Das kann natürlich an vielen Faktoren liegen. Eine Ursache, die oft mit MS zusammen auftritt, ist die sogenannte Fatigue. Wenn du selbst von Fatigue betroffen bist, dann wirst du wissen, was ich meine. Das schöne Wort Fatigue hat leider eine nicht so schöne Bedeutung. Dabei handelt es sich um eine starke, anhaltende Erschöpfung, die auch durch Ausruhen und Schlaf nicht weggeht. Aber keine Sorge – die Fatigue bleibt nicht 24/7 da, sondern kommt und geht immer mal wieder. Bei mir ist sie an manchen Tagen stärker ausgeprägt als an anderen und an Tagen wie gestern überhaupt nicht vorhanden. Aber heute hat sie mich eben mal wieder besucht.
Sei verständnisvoll mit dir und anderen
Was können wir tun an solchen Tagen, an denen wir uns einfach schlecht, kraftlos und krank fühlen? An oberster Stelle steht für mich: Ruhe gönnen, da wo es geht. Und um dahin zu kommen: Verständnis für mich selbst aufbringen. Liebevoll mit mir selbst sprechen, anstatt mich dafür zu verurteilen, dass ich heute nicht so viel schaffe wie ich eigentlich will. Natürlich helfen je nach Situation auch andere Dinge. Gerade bei Fatigue kann es helfen, sich zu bewegen, z. B. einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft zu machen. Probiere da ruhig ein bisschen aus, aber sei vor allem sanft mit dir selbst. Ich habe z. B. heute morgen 10 Minuten Yoga gemacht, um mich besser zu fühlen und meinem Geist hat es gut getan, aber mein Körper war danach so schlapp wie vorher. Da hilft dann wirklich nur langsam machen und meinem Körper Ruhe zugestehen.
Und was können wir als Angehörige, Partner*innen, Freund*innen von Menschen mit MS tun? Eigentlich genau dasselbe: Verständnis zeigen, nachfragen, zuhören. Aufgaben abnehmen wenn möglich, einfach allgemeine Unterstützung zeigen. Am wichtigsten ist für uns MS-Betroffene aus meiner Sicht, dass uns erst mal geglaubt wird und wir gesehen werden mit der Kraft, die wir alltäglich aufbringen. Denn genauso schwer wie es für uns in dieser Gesellschaft ist, Schwäche und weniger Leistungsfähigkeit erst mal für uns selbst zuzulassen, so schwer ist es erst recht, diese Schwäche nach außen zu zeigen.
Wir wirken nach außen oft, als hätten wir alles im Griff. Wir lassen uns nicht viel anmerken und da viele Symptome der MS eben unsichtbar sind, sieht man uns nichts an. Das macht es auch so schwer, das Ganze nachzuvollziehen. Aber aus Sicht einer MS-Betroffenen kann ich nur sagen: Bitte versucht, uns zu verstehen und auch, wenn ihr es nicht nachvollziehen könnt, versucht wenigstens, uns zu glauben und ernst zu nehmen. Die Krankheit macht es uns manchmal schon schwer genug und wenn wir auf Unverständnis treffen, macht es das noch schwerer.